Das verlassene Rehbock-Hotel
Ein verlassenes Hotel, geprägt durch dicke Sofas und Schwimmhalle
“Schon wieder ein Volltreffer”, denke ich, als wir durch das offene Fenster ins Innere von diesem verlassenen Hotel gelangen und wieder in einem Zimmer mit gut erhaltenen Einrichtungsgegenständen stehen. Die Sonne strahlt, das Licht ist gut, unsere Stative ausgeklappt, Müsli-Riegel und Wasserpullen “am Mann”. Allerdings kommt uns diesmal schnell zu Ohren, dass wir nicht allein in diesem Lost Place sind. Die erste Truppe von vier Leuten geht allerdings kurz darauf, das verbliebene Pärchen wenig später zum Glück auch. Während ich noch mit der optimalen Position meines Stativs beschäftigt bin, ist meine junge Lost-Place-Partnerin mal wieder längst im Entdeckungs-Vorsprung und erklärt mir kurz und knapp, wo mich was im Erdgeschoss zu erwarten hat. Für einen Augenblick bewundere ich ihre schnelle Auffassungsgabe der räumlichen Sachlagen, versuche ihren Stand der Dinge zügig aufzuholen, damit ich nicht gänzlich hinterher hänge und zücke bei den chancenlosen Lichtverhältnissen im unteren Bereich nur noch mein Handy. Der kleine Solarium-Raum lässt mich schmunzeln, da die Sonnenbank hier wenigstens moderner ist als im Lampen-Hotel, also keine versüffte Matratze als Liegefläche hat. Das Hotel hatte wohl mal einiges an Unterhaltung für den Freizeitspaß zu bieten. So gibt es neben dem Solarium auch eine Schwimmhalle (ähnlich groß wie beim Hotel Teddy), einen Tischtennis-Raum, einen Tanzsaal und im Obergeschoss einen großzügigen Aufenthaltsraum mit fetter Sofa-Sessel-Garnitur. Die Dachterrasse ist mit breiter Glas-Schiebetür zugänglich, wobei ich es nicht in Erwägung zog, sie zu betreten. Die Witterung hat auch diesem leer stehenden Hotel seit langer Zeit zugesetzt. Unser Gang durch die Zimmer in den oberen Etagen ist diesmal etwas schneller zu Ende. Die durchaus interessante Einrichtung, die auch hier wieder die üblichen verdächtigen Fernseher, unbezogenen Federbetten, den typisch braunen Sesseln und beigen Stehlampen bot, wiederholt sich dann doch irgendwie und fesselt uns weniger. Wie üblich durchlaufe ich das eine oder andere Zimmer doppelt, da mich verwinkelte Hotels manchmal etwas verwirren. Spätestens bei doppelter Begegnung meiner Urbex-Partnerin, die mein diffuses Hin-und Herlaufen mit leicht phlegmatischen Blicken registriert, weiß ich immer, wo ich schon war. Sie, mein menschlicher junger Kompass. Ich bin ein bisschen stolz auf sie. Nachdem ich schon geglaubt habe, mit allem durch zu sein, berichtet mir meine Lost-Place-Partnerin lässig von dem großen Frühstücksraum. Mein geografisch-architektonisches Vorstellungsvermögen lässt spätestens jetzt gänzlich nach, als sich dahinter mehrere Küchenräume eröffnen, dazu eine Treppe, die in stickige Bodenkammer-Sphären führt und ein abknickender Gang zu weiteren Zimmern. Vollkommen unerklärlich bleibt für mich, warum der Strom an der Mikrowelle noch Saft hatte, da sie noch blinkende Zeichen von sich gab. Für das Geschirr und Besteck hatte sich noch niemand gefunden. Von dem Kram im Kühlschrank ganz zu schweigen. Aber wir hatten eh wieder vorgesorgt. Fleißige, diskrete Urbexer wie wir haben sich am Ende des Tages bei Vogelzwitschern und untergehenden Sonnenstrahlen einen kräftigen Snack auf der Sitzkante des Kofferraums verdient. Aus den Boxen ertönt Duffy’s “Well, well, well…”, wir nicken sofort synchron mit unseren Köpfen zum Takt und lassen unsere Getränkedosen zischen. Ein schöner Tag…!