Das verlassene Hotel “Teddy”
Ein Teddy als Namensgeber für dieses verlassene Hotel
Es ist ja schon irgendwie witzig, dass verlassene Orte ihre ganz eigenen Namen als Synonym haben, zumindest in der Regel. So etwas wie “Schimmel-Hotel” oder “Moos-Hotel” ist ja auch gut nachvollziehbar, da ja inzwischen in allen verlassenen Gebäuden Schimmel und Moos eingezogen sind. Dieses alte Hotel hat seinen Insider-Namen von dem großen, leicht ramponiertem Teddy, der zwar allein zurückgelassen wurde, dafür aber von einigen Lost-Places-Jägern zu Dekozwecken immer wieder umgesetzt wird. Echte Urbexer dekorieren ja nicht um und lassen alles so, wie sie es vorfinden – getreu dem Urbex-Codex: “bring nothing, take nothing and leave nothing but footprints”. In Falle des Teddys denke ich mir aber, dass er so wenigstens Ablenkung hat, nicht gänzlich unbeachtet vereinsamt und immer mal wieder neue Ecken in dem verlassenen Hotel sieht. Wenn sich sonst schon keiner kümmert….
Die Temperaturen reichen noch nicht, um im Freien zu baden, wohl aber, um einem Hallenbad einen Besuch abzustatten, wenn auch einem leer stehenden. Erwartet hatte ich die große Schwimmhalle allerdings nicht. Eigentlich hatte ich nichts von diesem verlassenen Hotel erwartet außer ein paar vereinzelte Gegenstände, wenn es hoch kommt mal ein Möbelstück. Mit einer fast kompletten Einrichtung, vor allem vollständigen Bestuhlung, Fernseher und pralles Bettzeug, hatte ich als letztes gerechnet. Sogar unzählige Küchen-Utensilien waren vorzufinden. Es gab viel zu entdecken und viel abzulaufen. Jede Etage hielt ganz eigene spannende Details bereit.
Auch hier haben wir Glück: nach einer kurzen Begegnung zweier Mädels am Einstiegspunkt bleibt das Hotel für den restlichen Tag unbesucht. Ich genieße es sehr, die Räume und ihre Bestandteile der Vergangenheit in Ruhe aufzunehmen und wirken zu lassen.
Im Frühstücksraum steht ein niedlicher kleiner tragbarer Fernseher auf dem Duchreiche-Board. Die Bibel davor machte aus meiner Sicht wenig Sinn, selbst wenn es Deko hätte sein sollen. Aber entweder lese ich oder ich gucke fern. Ich jedenfalls. Und ich halte mich durchaus für multitasking-fähig, aber das Fernsehprogramm heutzutage lässt ja eh zu wünschen übrig. Die Bibel reißt mich zwar auch nicht vom Hocker, aber ich bin eh nur zum Fotografieren hier. Wir gehen in dem verwinkelten Gebäude erstmal unten alles ab. Im hinteren Bereich des Erdgeschosses beeindruckt mich der Raum mit dem Billardtisch sehr. Er ist irgendwie altmodisch charmant und wirkt auf mich ein bisschen wie ein Herrenzimmer, so mit dem schweren Holzschrank, der Sitzecke und dem dicken Sessel in der Fensternische. Ich stelle mir ein paar ergraute ältere Herren mit Zigarren vor, die sich politisch debattierend abwechseln zwischen Skat kloppen und eine ruhige Billardkugel schieben, während der Meister im Sessel am Fenster mit hoch gelegten Beinen eine renommierte Tageszeitung liest. Dicke Rauschschwaden durchziehen den Raum, ein Korken ploppt von der Cognac-Flasche, es ist Zeit für ein bisschen Urlaubsstimmung… Meine Tagträume finden im nächsten Zimmer Bestärkung durch das gelackte schwarze Paar Herrenschuhe. Das ist auch das einzige, was in diesem Hotel, speziell in diesem Raum, noch gelackt ist. Die völlig speckig verpekte Fernbedienung hätte mich als erstes zur Beschwerde an die Rezeption getrieben, wäre das Hotel heute noch in Betrieb. Aber ich will gar nicht meckern, bei so viel Motiven ist deren Zustand für mein Foto sekundär, ja sogar förderlich.
Mit Stativ, den bewährten Müsli-Riegeln und Wasserflaschen bestückt dackeln wir die oberen Etagen ab, immer wieder erstaunt über die recht guten Zustände der Zimmer und ihrem Inventar. Doch einige Zeit und Zimmer weiter entsteht doch eine gewisse Wiederholung der Eindrücke. Betten und Tapeten, Sessel und Stühle wechseln sich nur geringfügig in Farbe und Aufstellung ab.
Wie so oft verliere ich auch dadurch etwas den Überblick der Orientierung und bin dankbar für meine Begleitung, die längst alles abgegrast hat, inzwischen eine Begegnung mit einem Waschbären hatte und kurz davor ist, sich zu langweilen. Der Magen hängt uns beiden an den Füßen, das intensive Ablaufen aller Räume hat uns ein wenig geplättet, und so schlurfen wir zurück zum Auto, wo unser ersehnt verdientes Erfrischungsgetränk und Brotstullen auf uns warten. Letztere sind in der Kühltasche knapp vor dem Gefrierpunkt angelangt, aber der Heißhunger übergeht das fast unbemerkt. Ein spannendes, langes und vielfältiges Erlebnis in einem für mich sehr interessanten Lost Place geht zu Ende. Der Heimweg geht in Dunkelheit über, auf unseren geröteten Wangen liegt ein müdes, aber zufriedenes leises Lächeln….