Das verlassene Lampen-Hotel
Wo die Stehlampen nicht mehr leuchten…
Wie die letzten Überlebenden steht die kleine Gruppe Stehlampen am Ende des großen Raumes dicht zusammen, ein einsamer Sessel farblich passend in ihrer Mitte. Einst haben sie viele Zimmer in diesem alten, verlassenen Hotel beleuchtet, inzwischen werden sie selbst ins rechte Licht gesetzt und fotografiert. Ich kenne die Lampen schon lange, sie bieten ein tolles Motiv für leidenschaftliche Urbexer wie mich und waren somit weit oben auf meiner Liste der Lost Places. So wie man zu meiner Kindheit irgendwelche Sammelalben von Comicfiguren oder Stars hatte, deren Bilder man am Kiosk in 5er-Packs kaufte und natürlich auf seltene Exemplare scharf war (alle doppelten wurden emotionslos eingetauscht), so wollte ich ein Foto von diesen Stehlampen in diesem leer stehenden Hotel haben – weil es schön ist, weil es eine Art Sammelleidenschaft von mir ist und damit eine spannende Jagd, das begehrte Motiv möglichst als eine der ersten (wenn nicht sogar ganz “jungfräulich” als allererste) im Kasten zu haben. Schließlich ist die Zeit der Lost Places gezählt, nicht nur durch Verfall, sondern gerade durch vermehrten Vandalismus und Brandstiftung der letzten Jahre. Und außerdem: ein verlassenes Hotel mit Einrichtungsgegenständen aus letztem Jahrhundert ist immer ein kleines Highlight….
Wir zwei starten mit dem Neubau. Auf der Rückseite stehen ein paar Fenster sperrangelweit auf. Fast schon langweilig einfach. Schon im ersten Raum schlägt uns der gammelige Mief des Hauses entgegen. Schimmel hängt klebrig in der Luft, die Feuchtigkeit rinnt von den Wänden, der Boden in den langen Gängen ist teilweise mit klebriger Erde überzogen. Unsere Schritte federn weich nach. So extrem schlimm habe ich noch keinen Lost Place erlebt! Hier sickert Wasser überall durch, man darf sich nirgends anlehnen. Alle Räume im Erdgeschoss sind düster, geben wenig her, die Augen überanstrengen schnell. Aber das Wetter strahlt, also bietet sich nach dem Abgrasen des Neubaus eine kurze Pause auf einem der Balkone an, um sich mit Müsliriegeln (Marke Lieblings) und Wasser zu stärken und um sich und die klamm gewordenen Klamotten aufzuwärmen. Leichte Erschöpfung durch die stickige Kälte ist in unsere Knochen gezogen, ein Liegestuhl wäre nicht verkehrt gewesen. Ein Bierchen auch nicht.
Dann weiter auf die Suche nach dem begehrten Lampen-Motiv. Im Erdgeschoss des Altbaus werden wir fündig. Interessanterweise ist es in diesem Holzbau nicht ganz so übel mit der Luft, die Sonne bringt gutes Licht, und wir können uns zum Glück allein umsehen und fotografieren. Der Brücken-Gang zum Sauna-Trakt nach hinten ‘raus hatte mal gebrannt, die Stufen in die oberen Etagen sind ebenfalls stark beschädigt. Vertrauenswürdig stabil sieht anders aus, erst recht, wenn man die Bausubstanz nicht kennt. Für dieses Mal breche ich die weitere Erkundung ab. Einige Zeit später kommt mir die Info zu, dass es sich um eine Betonmischung handelt, die stand hält, und dass die oberen Etagen schön gestaltete farbige Räume bereit halten.
Also gut, das bedeutet re-visit. Das langsame Vortasten auf den Stufen erweist sich tatsächlich als machbar. Und die oberen Räume des Altbaus sind wirklich toll. Zwar ist der ganze Rauch des Feuers hier bis in die letzten Ecken gedrungen, und in einigen Räumen, speziell die Badezimmer, klebt der Ruß wie schwarze Paste an Wänden und Gegenständen. Doch die farbigen Gardinen und Sessel verströmen immer noch einen besonderen Charme irgendwo zwischen Kitsch und Nostalgie.
Durch den Brückengang gehe ich als letztes noch kurz in den kleinen Bau hinter dem Hotel am Berghang, der die Schwimmhalle und unten Sauna und Waschräume beherbergt. Die Decke des Schwimmbeckens ist eingekracht, man kann nirgends lang gehen. Final ist die alte Sauna im Keller noch ganz witzig anzusehen. Mir drängt sich die Frage auf, wir man bloß auf einer Matratze liegen konnte, die alles aufsaugt, was man nicht haben will. Aber egal.