Maison Banana

Maison Banana

Die verlassene Villa Banana

Ich kannte den Raum mit den rot-goldenen Sesseln, dem Canapé und dem schwarzen Flügel dieses Lost Place „Maison Banana“ nur von wenigen Bildern und konnte gar nicht glauben, dass man eine Villa mit solch einem schönen Interieur verlassen zurück lässt. Das wollte ich mit eigenen Augen sehen, zumal dieser Lost Place bisher nur wenigen bekannt zu sein scheint und daher frei von Vandalismus ist. Ob und wie nun die Einrichtung bereits verändert wurde, steht auf einem anderen Blatt. Zumindest ist die schöne Villa noch nicht gänzlich leer geklaut (und das Umdekorieren wird ja eh mit zunehmendem Bekanntheitsgrad schlimmer). Man muss schnell sein heutzutage, das entdecken von Lost Places ist zur angesagten Jagd geworden.

Ich habe mir für diesen schönen Landstrich ein paar Tage Urlaub genommen und fahre mit einem Mietwagen in das verschlafene Örtchen der verlassenen Villa „Banana“. Die Gegend ist herrlich. So weit das Auge reicht, sieht man das intensive Grün weit gedehnter Wiesen, die Wälder auf den Hügeln ringsum scheinen endlos. Die ganze Landschaft scheint endlos. Ich fahre auf einsamen Straßen, begegne kaum jemandem, und selbst in den Dörfern, die ich auf meiner Tour durchfahre, sehe ich nicht sonderlich viele Menschen. Als ich mich dem Ort der Villa „Banana“ nähere, schlägt mein Herz schneller, meine Hände werden langsam feucht. Um die Lage zu sondieren, tuckere ich erstmal die Straße der Villa ein Stück hin und zurück und entscheide mich zum Parken für eine verbreiterte Stelle am Straßenrand kurz vor einem Haus – ganz so, als würde ich zum Ort gehören. Man hatte mir den Tipp gegeben, nicht über das Zufahrtstor auf das Grundstück zu gehen, da es aufmerksame Nachbarn gäbe. Ein Stück weiter soll es eine Steintreppe geben, die von der Straße aus den Hügel zum Grundstück hoch führt. Die Straße hat keinen Fußweg, also muss ich an einer Straßenmauer mehrere Meter bis auf Höhe der verlassenen Villa zurück gehen. Natürlich brausen alle 10 Sekunden LKW’s an mir vorbei. Wenn ich bisher den Eindruck hatte, dass dies eine recht einsame Gegend sei, so scheint hier definitiv die Hauptverkehrsader für Lieferverkehr zu sein. Ich warte also eine Pause der durchfahrenden Autos ab und haste dann die versteckten und fast zugewucherten Steinstufen den kleinen Hang hinauf. Sie enden allerdings schnell, und so ackere ich mich die letzten paar Meter hoch durch das Gebüsch bis in den großen Garten der einsamen Villa. Von hohen Sträuchern und Bäumen verdeckt, ist diese verlassene Villa von der Straße aus oben auf ihrem kleinen Hügel kaum zu sehen, sodass ich entspannt nach einem Schlupfloch als Zutritt Ausschau halte. Die Fensterläden sind ziemlich hoch angebracht, ich reiche kaum mit den Händen heran und muss mich auf die Zehenspitzen stellen, doch sie lassen sich nicht öffnen. Die Türen sind verschlossen oder von innen verbarrikadiert. Kein Kellerfenster offen. Mein Herz pocht schneller, ich bekomme etwas irritierte Panik. Über dem Eingang steht ein Fenster im ersten Stock offen, doch das klapperige Metallgerüst der Türüberdachung wirkt wenig stabil. Es wäre mir eh zu hoch und zu gefährlich. Ich streife nochmal um das Haus. „Das darf doch nicht wahr sein“, denke ich, „ich fahre doch nicht hunderte Kilometer, um dann wieder sang- und klanglos abzuziehen!“ Traurig und mit aufkeimender Verzweiflung setze ich mich erstmal auf ein Stück Gartenmauer, versuche Ruhe zu bewahren und nachzudenken. Eine innere Stimme stupst mich an und sagt mir „Geh‘ nochmal links ‚rum“. Ich gehe also links um das Haus herum und sehe, dass dort ein halber Fensterladen offen steht. Den hatte ich vorher wohl übersehen. Unter dem Fester recht nah an der Hauswand steht ein überdimensionaler, leerer Blumentopf aus braunem Ton. Ich überlege: „Wenn ich mich mit den Füßen vorsichtig auf den Rand des Blumentopfes stelle, komme ich vielleicht mit den Händen an die Fenster, um zu testen, ob ich sie aufdrücken könnte.“ Und ja, das Fenster lässt sich nach innen aufmachen. Ich ergreife also mit der rechten Hand die kleine Metallstange über der Fensterbank, um mich daran hochzuziehen und dann den linken Fuß auf den Fenstersims zu stellen. Mit der linken Hand drücke ich die Fensterflügel auf, ziehe mich an der Innenseite des Fensterrahmen ganz hoch und bleibe erstmal auf der Fensterbank hocken, um zu horchen, ob ich von innen Geräusche höre. Keiner da. Wie schön. In dem Raum, in dem ich angekommen bin, türmen sich Klamotten und Möbelstücke, alte deutsche Platten und sogar ein weißes Klavier lugt unter dem Krempel hervor, aber vor allem stapeln sich Bananenkartons in die Höhe. Daher hat diese verlassene Villa auch ihren Urbex-Namen: „Maison Banana“. Wie es scheint, war hier mal eine Art Pension oder Bed & Breakfast. Durch die verglasten Flügeltüren kann ich schon grob die Umrisse meines begehrten Wohnraumes erkennen. Einzig die Dunkelheit bereitet mir Sorgen. Ich hatte mein Stativ vergessen mitzunehmen und befürchte, dass ich vielleicht nur verrauschte oder wenig brauchbare Fotos machen kann. Wieder kommt mir das Schicksal wohlgesonnen zugute, indem ich in dem Einstiegsraum ein altes Stativ fast vor meiner Nase finde. Ich bin baff und glücklich zugleich! Das eine der drei Beine ist zwar mit Paketband umwickelt und scheint kaputt, und die Kameraplatte lässt sich auch nicht mehr wirklich bewegen, aber ich werde mit den anderen zwei Beinen schon eine gerade Ausrichtung ermöglichen. Bedächtig schleiche ich mich weiter, und da ist er auch schon: der Raum der Räume! Wunderschöne Sitzmöbel stehen gruppiert unter einem riesigen alten Bild im Goldrahmen, der aufgeklappte schwarze Flügel steht wartend daneben. Das Parkett ist schon stark verschrammt. Ich sehe mich weiter um und finde alte Polaroid-Fotos. Ob das die Familie der Inhaber ist? In den oberen Stockwerken zeugen die Räume mit Betten und Waschräumen klar von einer Nutzung dieser Villa im kommerziellen Beherbergungs-Segment. Zum Teil finden sich hier noch Wasch-Utensilien und Parfümfläschchen. Außerdem finde ich tatsächlich Unterlagen, die auf Insolvenz hinweisen: mehrere Zahlungsaufforderungen und Mahnbescheide in 4-stelliger Höhe. Mich erstaunt, dass gerade solche persönlichen Sachen mit Namen noch herum liegen. Gern hätte ich mehr in Erfahrung gebracht, doch konkrete Papiere über Besitzverhältnisse oder Pachtverträge oder ähnliches kann ich nicht finden (und auch spätere Recherchen brachten mir keine weiteren Erkenntnisse). Und so streife ich noch etwas durch die Räume, mache meine Fotos und ziehe dann glücklich von dannen, alle Einrichtung genauso belassend, wie ich sie vorgefunden hatte.