Die verlassene Villa “Micky Maus”

Die verlassene Villa “Micky Maus”

Ich habe der Villa diesen Urbex-Namen gegeben – wegen der kleinen Lampe, die ich darin fand.

Das schöne am Sommer ist, dass die Sonne lange scheint. Also zumindest haben wir abends eine Stunde dazu geschummelt bekommen. Dennoch bin ich für diese verlassene Villa spät dran, denn die Sonne steht bereits hinter den Baumkronen. Umso zügiger puhle ich mich von hinten mit ausladenden Schritten durch das dichte und ziemlich wiederspenstige Grüngewächs, was das Thema Anschleichen schwierig werden läßt. Während ich mit hohen Storchenschritten das ebenso hohe Pflanzenwerk des Gartens durchschreite, frage ich mich kurz, warum Störche eigentlich nicht umfallen – also wenigstens ab und zu – denn ich habe so meine Schwierigkeiten, bei dieser Gangart die Balance zu halten. Der eine und andere Strauch hat jetzt auch ein paar Äste weniger, die mir zum festhalten dienten. Aber der Garten war eh völlig überwuchert und hätte längst ausgedünnt werden müssen. Vielleicht könnte ich mein Hobby mit eine Art Gärtnerjob verbinden – ich bräuchte noch nicht einmal Werkzeug. Egal.

Mit einigem Grün an den Beinen finde ich auf der Rückseite der verlassenen Villa eine offene Tür. Und zum Glück erwartet mich Stille. Kein Mensch hier. (Dass der heutige Tag ein Glückstag sein sollte, erfahre ich leider erst im Nachhinein). Ich schlendere erst einmal durch die verlassene Villa, um einen Überblick der Räume und ihrer möglichen Motive zu erhalten. Außerdem mag ich es, ein Gefühl für einen verlassenen Ort zu bekommen, indem ich allein durch die Räume streife und die Atmosphäre in Ruhe aufnehmen kann. Viel ist leider nicht mehr vorzufinden, weder Möbel noch anderweitig beeindruckendes Inventar. Für die Eingangshalle mit der Holztreppe und dem Buntglasfenster lohnt sich aber schon ein Raw-Foto. Für die obere Etage prüfe ich mit vorsichtigen Schritten die Festigkeit der Treppe, auf deren Stufen viel herunter gefallener Deckenschutt liegt. Außer einem gelben Kachelofen sind die Räume leer, dafür macht mich die Spiraltreppe neugierig. Ich liebe Treppen in Lost Places, egal in welcher Form. Oben angekommen gibt es außer verstaubte Fensterrahmen nichts, noch nicht einmal eine erkennbare Nützlichkeit des Türmchens selbst. Der Platz ist ja auch sehr begrenzt.

Ich ziehe langsam von dannen mit dem Gedanken, eventuell bei besserem Tageslicht nochmal vorbei zu kommen. Drei Tage später klingelt mein Wecker zur Nachrichtenzeit. Ich höre mit verschlafenem Ohr zu. “In der Stadt XY* (*Nennung der Stadt aus Objekt-Schutz-Gründen erfolgt hier nicht) ist in der Nacht auf Dienstag ein Feuer gemeldet worden. Die Feuerwehr musste Bäume fällen und erheblichen Gartenbewuchs beschneiden, um mit dem Löschfahrzeug an die Villa zu gelangen.” Mein Oberkörper schnellt in die Senkrechte. “Oh nein, das kann nur die verlassene Villa Micky Maus sein!”, denke ich. Meine Suche in den Medien bestätigt meine Befürchtungen: es hat mal wieder einen Lost Place getroffen – ausgerechnet diese verlassene Villa, wo ich nochmal ein paar wenige Bilder in Raw machen wollte.

Was sagt einem das: verschiebe nicht auf morgen, was du heute kannst fotografieren. Und: dichter Gartenbewuchs verhindert Löscharbeiten. Aber das nur am Rande…