Die verlassene FDJ Hochschule und die Goebbels Villa in Bogensee

Die verlassene FDJ Hochschule und die Goebbels Villa in Bogensee

Mein erster Eindruck im verlassenen Lektionsgebäude ist eher nüchtern. Die Gänge sind lang, die Räume haben den Charme von Verwaltungesbüros. Das waren sie vielleicht auch. Das mit dem Charme hält sich also eher in Grenzen. Dennoch sind die Seitenflügel dieses Gebäudes nicht ausdruckslos. Die großen, mehrgeteilten und teils bis zum Boden gehenden Fenster lassen viel Licht hinein. Die weißen kassettengetäfelten Holztüren unterstreichen den geradlinien sozialistischen Klassizismus. Das dominante Weiss überall im Inneren dieses Gebäudes verströmt eine korrekte Klarheit, die mich an die akkurate Sauberkeit in Kliniken erinnert. Es fällt mir auch erst im Nachhinein auf, dass sogar die Büromöbel mit ihrem Einheits-Kunstfstoff-Furnier eine nahezu geogafische Baukastensymmetrie aufweisen und sich damit perfekt in den Gesamteindruck einfügen. Klassizismus eben. In diesem Fall erdacht und geplant vom DDR-Architekten Hermann Henselmann.

Völlig unvermittelt lande ich am Ende eines der langen Gänge in der Eingangshalle. „Wow“, schießt es mir in den Kopf, „wirklich schön!“ Auch wenn sie in Natura nicht so groß ist, wie sie auf Bildern scheint, finde ich sie trotzdem beeindruckend. Ein kleiner Hauch von Monumentalismus (gibt es überhaupt eine Substantivierung zum Adjektiv „monumental“? – Jetzt schon.) Die großen Flügeltüren lassen mich in den Plänarsaal. Am Rande der Decke hat sich schwarzer Schimmel breit gemacht. Teile des Holzparketts wurden herausgebrochen. Hier merke ich: der Lack ist ab. Noch deutlicher kann ich es im rechten Gebäudeflügel feststellen, wo neben Schimmel auch der Fußboden im Gang aufgequollen und hochgekommen ist. Unverkennbar ist an mehreren Stellen Feuchtigkeit in die Bausubstanz gedrungen. Was Wunder, denn die Geäude werden seit einigen Jahren nicht mehr geheizt und auch ansonsten kümmerst sich die Stadt Berlin, die Eigentümer ist, einen feuchten Kericht. Sehr schade.

Die bisherigen Nutzungskonzepte sagten der Stadt Berlin nicht zu. Die Instandhaltungskosten mögen zwar hoch sein, aber abwarten und Tee trinken macht’s nicht billiger. Ich bin gespannt, was das Ende vom Lied sein wird.

(Fotos von: Anfang 2023)

Geschichte der FDJ Kaderschule Bogensee

In den 1950er-Jahren entstanden neben der Goebbels-Villa zahlreiche Neubauten; ein Komplex aus Unterrichts-, Gemeinschafts- und Wohngebäuden, errichtet im Stil des Sozialistischen Klassizismus nach Plänen des bekannten DDR-Architekten Hermann Henselmann.

1950 erschien der Präsident der DDR, Wilhelm Pieck, persönlich, um die Umbenennung der Schule vorzunehmen. Sie hieß fortan: „Jugendhochschule Wilhelm Pieck, Zentralschule der Freien Deutschen Jugend.

DDR-Geschichte – Die Gründung der FDJ vor 75 Jahren
Am 7. März 1946 wurde die Freie Deutsche Jugend (FDJ) gegründet. Der Jugendverband sollte später in der DDR zum Vorzeigeprojekt werden, zeitweise waren rund 80 Prozent aller 14- bis 25-Jährigen darin organisiert.

„Die Freie Deutsche Jugend hat sich zur Aufgabe gestellt, die deutsche Jugend zu einigen und die Voraussetzungen für einen Aufstieg des deutschen Volkes nach den Jahren des wirtschaftlichen, politischen und moralischen Zusammenbruchs zu schaffen.“

Erich Honecker, erster Vorsitzender der Freien Deutschen Jugend. Die FDJ, Anfang 1946 in der Sowjetischen Besatzungszone als antifaschistische Jugendorganisation gegründet, eröffnete kurz darauf —am 22. Mai 1946— am Bogensee nördlich von Berlin eine „Zentralschule“. In idyllischer Lage mitten im Wald stand die ehemalige Villa des NS-Propagandaministers Joseph Goebbels, ein komfortabler Landsitz mit 30 Zimmern auf 1600 m²; mit großem Empfangsraum, Kinosaal, Gästehaus und eigenem Wasserwerk.

Organisationen der Arbeiterbewegung schickten jeweils einige Dutzend Jugendliche zu zweimonatigen, später einjährigen Lehrgängen an den Bogensee. Nach den Erfahrungen der NS-Zeit wollte man jungen Menschen wie Herbert Häber liberale und demokratische Werte, aber auch rhetorische Fähigkeiten für ihre politische Arbeit vermitteln:

„Diese Schule, obwohl sie Schule der Freien Deutschen Jugend hieß, stand unter Vier-Mächte-Aufsicht. Und dann sind regelmäßig die Jugendoffiziere des Kontrollrats Berlin erschienen, ob wir auch zu guten Demokraten erzogen werden.“

Auf SED-Kurs getrimmt

Die Schüler der FDJ-Jugendhochschule, wie sie bald hieß, kamen zunächst aus ganz Deutschland, Hermann Weber z. B. aus Mannheim. Er stellte jedoch schnell fest, dass hinter der demokratisch-pluralistischen Fassade der Führungsanspruch der SED unter Walter Ulbricht stand.

„Es war schon der Versuch, nach außen offen eine Einheitsjugendorganisation zu präsentieren, aber – wie Ulbricht das in anderem Zusammenhang sagte – doch alles fest in der Hand zu haben.“

Mit der Zuspitzung des Ost-West-Konflikts schärfte die Hochschule ihr Profil. Sie avancierte zu einer politischen Kaderschmiede für den Funktionärsnachwuchs der DDR. Auf dem Lehrplan standen nunmehr die Grundlagen des Marxismus-Leninismus, so Herbert Häber:

„Da wurden auf einmal andere Festlegungen getroffen, wer dort hinkommt, und damit auch, welche Rolle die Schule zu spielen hat: Schluss mit diesem Demokratismus.“

1990, nach dem Untergang der DDR, wickelte die Treuhandanstalt die FDJ-Jugendhochschule ab, einzelne Gebäude wurden vorübergehend als Ausbildungsstätte und Hotel genutzt.

https://www.deutschlandfunk.de/vor-75-jahren-hochschule-am-bogensee-eroeffnet-die-fdj-100.html

Die alte Goebbels-Villa