Der verlassene Gasthof mit Ballsaal “DDR”
Meistens weiß ich ja, was mich erwartet. Also wie der verlassene Ballsaal aussieht. Deswegen fahre ich ja auch hin, denn jeder Tanzsaal in einem verlassenen Gasthof ist individuell und einzigartig. Die Form der Decken sind zwar manchmal ähnlich, aber die Gestaltung ist immer einzigartig – es sei denn, die Decke ist einfach weiß gestrichen. Aber dann ist der Saal für mich auch nicht wirklich spannend (so zum Beispiel beim alten Gasthof “white”). Bevor ich diese alten Gasthof mit Ballsaal ausfindig machte, dachte ich lange Zeit, es handelt sich um eine alte Sporthalle – keine Ahnung warum. Ich weiß nicht einmal mehr, wie die Turnhallen meiner Schulzeit aussahen. Außerdem war ich ja auch in dem ehemaligen (NICHT(!!) verlassenen, sondern mit Genehmigung besuchbaren) Kinderkrankenhaus in Harzgerode, und da sieht der Saal im alten Theater ähnlich aus, was die schrägen Stützkonstruktionen anbelangt. Nun denn.
Als ich anrolle, sind Bauarbeiter auf dem großen Hof davor zugange. “Och nööö”, denke ich und parke mit etwas Abstand gegenüber. “Erstmal nachdenken…”. Ich trinke einen Schluck und überlege mir eine Taktik, bevor ich mein Fotoequipment schnappe und los schlendere. Betont lässig und langsam, versteht sich. Ein Baufahrzeug nach dem anderen fährt von Hof. “Nanüchen?!” Ich schaue mich ungäubig um. Alle weg. Na sowas. Immer noch vorsichtig umschauend nähere ich mich dem ehemaligen Gasthof und nutze die Gunst der lokalen Abwesendheit zum Hineinschlüpfen. Das “Schlüpfen” fordert mir ein paar körperliche Verrenkungen ab, aber was tut man nicht alles für seine Leidenschaft. Und die ist – um es klar zu betonen – friedlicher Natur mit Fokus auf ein schönes Foto. Der verlassene Ballsaal gefällt mir gut. Vor allem freue ich mich, natürlichen Verfall vorzufinden und kein Graffiti oder ätzenden Vandalismus (außer ein kleines bisschen in der Küche). Herrlich! Was ich von außen gar nicht so gesehen habe, ist der schlechte Zustand der Zimmer. Ich betrete daher auch nicht jeden Raum. Als ich gerade ein Zimmer mit rotem Sessel fotografiere, höre ich vor dem Gasthof wieder Stimmen. Die Arbeiter sind zurück. Doof. Aber noch bin ich ja nicht fertig. Am Ende haben aber die Arbeiter und ich offenbar ein ähnliches Tempo, denn als ich mit meiner Erkundung fertig bin, rauschen die Arbeiter ab. Was soll ich sagen: timing.