Das Oma-Haus

Das Oma-Haus

Ein unscheinbares, verlassenes Wohnhaus

Ich wäre fast vorbei gelaufen, so hungrig war ich. Mit meinen Mädels hatte ich bereits ca 15 km Wanderung hinter mir. Zugegeben, wir hatten uns etwas verschätzt. Unser einziges Ziel war das doch bitte hoffentlich bald in Sicht kommende U-Bahn-Schild. Doch aus dem Augenwinkel sah ich die verstaubten Gardinen und Plastikpflanzen im Fenster und stockte. Daran vorbei zu gehen geht für mich einfach nicht! Es könnte ja ein echtes Schätzchen im Staube schlummern! Kurz auf echten Leerstand geprüft, die Lage gecheckt, einen möglichen Zugang gesucht (ist ein Lost Place nicht durch offene Fenster o.ä zugänglich, verschaffe ich mir niemals gewaltsam Zugang!) – und gefunden. Der Garten war so verwildert, dass ich fast nicht durchdringen konnte. Der Boden unter dem offen stehenden kleinen Fenster war so weich und voller Laub, dass schwer einzuschätzen war, ob ich nicht vielleicht gleich eine Etage tiefer krachen würde. Doch der beherzte Griff am morschen Holzrahmen (Sport ist zwar Mord, zahlt sich aber hierfür definitiv aus) brachte mich ins Innere. So ein Augenblick ist schon gigantisch, zumal dieses Häuschen so abseits liegt, dass nicht mit einem Massenauflauf der Urbexszene zu rechnen ist und damit der Flair eines echten verlassenen Ortes gewahrt bleibt…

Das Wohnhaus war die reinste Zeitkaspel. Es ließ sich nicht feststellen, wer hier mal gewohnt hat, doch irgendwie erweckte es für mich den Eindruck, als ob eine alte Frau die letzte Raumbelebende war. Dafür sprach die alte Handtrockenschleuder und die Kochherde, wobei die goldene Wanduhr und die Autositze eher herrenlastig sind. Vielleicht war es ja auch ein altes Ehepar. Ich werde es nicht mehr erfahren, auch wenn ich mich gern mit diesen ehemaligen Bewohnern über ihre Erlebnisse der damaligen Zeit in dieser Gegend unterhalten hätte. Ich finde die Geschichten alter Menschen nicht nur interessant, sondern teilweise auch lernenswert. Es war zu dunkel, um vernünftige Fotos mit meiner “alten” Kamera ohne Aufsteckblitz (ich hatte nur die kleine Canon 550D dabei) zu machen, also genoss ich lieber den Moment, als Erste diesen Lost Place entdeckt zu haben und hielt ein paar Räume mit dem Handy fest, in all ihrer Unprofessionalität. Eine Mitreisende in Vietnam sagte einmal zu mir: “Alle Bilder, die wir machen, machen wir nur für uns, und alle Bilder, die wir nicht gemacht haben, haben wir im Kopf.” Das gab mir zu denken, ließ mich umdenken und es seitdem genauso handhaben. Fühlt sich gut und frei an.

Genauere Informationen gebe ich aus Schutz vor Lost Places, die noch nicht in der Öffentlichkeit allgemein bekannt geworden sind, generell nicht preis. Auch verlassene Orte, die unter einigen urbexern bekannt sein mögen, werde ich nicht namentlich nennen oder konkrete Ortsangaben machen. Es gibt leider inzwischen Menschen, die sich toll vorkommen, wenn sie diese spannenden Zeitkapseln zerstören.