Das eiserne Krankenhaus

Das eiserne Krankenhaus

Es ist brütend heiss. Stille liegt trocken auf den Steinplatten, die Äste schweigen. Leere. Größe. Weite.

Mir läuft der Schweiss die Wirbelsäule herunter, ich lausche in die Luft, sensibilisiert für jedes menschliche Geräusch. Doch da ist nichts. Hinter einem Baum schieße ich das erste Foto von diesem lost place, ein Krankenhauskomplex, der schon lange verlassen und verschlossen ist. Neugierig wage ich die ersten Schritte, in der Hoffnung, irgendwo einen Blick ins Innere werfen zu können. Vielleicht sind noch alte Einrichtungsgegenstände zu sehen, die die typische Atmosphäre von Krankenhäusern ausmachen. Ich spähe durch das zerbrochene Riffelglas der Notaufnahme-Einfahrt. Weder Krankenwagen noch Hinterlassenschaften noch die Möglichkeit für ein Schlupfloch. Die Fenster auf dem oberen Außengang lassen nur den Blick auf einen leeren Gang im Innren zu. Inzwischen habe ich mir den Pullover unter meiner Jacke um die Hüfte gebunden. Als Urbexer hat man ja doch zu schleppen. Fotoequipment und Überlebens-Nahrung tragen auf, machen alle Bewegungen behäbiger und sind für etwaige nötige Schnelligkeit eine Bremse. Das sollte ich heute sehr intensiv merken. Auch, dass ich das Fitness-Studio mal wieder besuchen sollte. Nach der Umrundung dieses Gebäudes entdecke ich hinten eine Balkontür, die bereits zertrümmert wurde. Eine höchst schwierige Eingangsstelle, da noch große Glasspitzen in dem Türrahmen stecken und erfordern, dass man sehr hoch darüber steigen muss. Zusätzlich liegen die ganzen Glasscherben innen, sodass man beim Einsteigen darauf treten und auch Halt finden muss. Im Falle eines Wegrutschens hätte ich mich ja kaum an den Glasresten im Türrahmen festhalten können, außerdem hätte ich mir den Oberschenkel an den Glaskanten unter mir aufschlitzen können! Also führe ich erstmal ein Bein in Zeitlupe durch das Glasloch und taste vorsichtig im Inneren auf den großen Glasscherben herum, die wie Eisschollen sofort anfangen zu schwimmen. Sachte verlagere ich mein Gewicht auf das Bein im Inneren, um dadurch Druck auf die Glasschollen zu bringen und sie möglichst stabil zu halten. Soweit, so gut, denke ich und schiebe ebenfalls zeitlupenartig meinen Kopf durch die Tür. Ich drehe den Kopf vorsichtig nach links, um die Lage zu peilen und erstarre. Das ätzende Getöse eines Bewegungsmelders heult los! Die ganzen Zeitlupenbewegungen rückwärts auszuführen, hätte nur bedingt Sinn gemacht. Also ziehe ich mein Bein zügig aber dennoch vorsichtig über die Glaskanten und renne los. Tasche unter den Arm geklemmt, Schürsenkel offen gelassen, die verlorene Wasserpulle aber doch noch eingesammelt (wer weiß, wie lange ich hätte irgendwo in Deckung liegen müssen bei der heutigen Hitze!). Mit Anlauf rutsche ich unter das Zaunloch, so wie sich ein Baseball-Spieler auf ein Laufmal rutschen läßt, und springe in das nächste Gebüsch. Kein Mensch weit und breit. Das Alarmgeräusch ist hier auch schon kaum noch zu hören. Ich beschließe, mich bei eventueller unangenehmer Begegnung als Insekten-Fotograf auszugeben (was prinzipiell auch zutrifft), krieche etwas zerpflückt aus dem Unterholz und eile die Straße hinunter zurück. Meine Bronchen pfeifen, ich bin klitschnass und weiß nicht, ob ich den heutigen Tag überlebe. Ein bißchen ärgere ich mich schon, aber wie sagt schon Paulchen Panther: “Heut’ ist nicht aller Tage….”

Wenn man als Urbexer durch diverse verlassene Gebäude gestreift ist, entwickelt man ein ganz eigenes Gespür für das Vergangene und die Geschichte dieser Häuser (zumindest empfinde ich das so). Bezüglich verlassener Krankenhäuser finde ich, dass sie etwas ausstrahlen, was man kaum beschreiben kann. Eigentlich ist es auch eher ein Gefühl, so als ob noch etwas in der Luft hängen geblieben ist.

Leider war hier keine Chance, den Innenbereich zu erkunden. Mein Plan B, das alte stillgelegte Schwimmbad (siehe Beitrag “die leere Schwimmhalle P”) musste also herhalten…