Der Tod der Anatomie

Der Tod der Anatomie

Wäre dieser Fachbereich der ehemaligen FH für Anatomie noch in Betrieb, würde ich sicherlich keinen Blick hinein werfen, denn das Sezieren von Körpern ist absolut nicht mein Fall. Außerdem kippe ich beim Anblick von Blut aus den Latschen. Irgendwelche pathologischen praktischen Erläuterungen würden meine Aufmerksamkeit ebenfalls recht schnell schwinden lassen. Aber so leer wie es jetzt ist, geht es. Natürlich kommen beim Betreten des Vorführraums schon komische Gefühle in der Magengegend auf, wenn ich mir vorstelle, von der Empore auf eine zerschnittene Leiche zu gucken. Das viele Graffiti an den Wänden ist aber doch zu aufdringlich, um sich wirklich in eine Anatomie-Vorführung hinein versetzen zu können. Ähnlich ergeht es mir, als wir in den Hörsaal kommen. Hier würden mich die voll gesprühten Stühle gar nicht mal stören, doch das Rednerpult vorn und eine Tafel fehlen. Überhaupt ist der ganze Bereich unten, wo sonst Professoren ihre Lehren halten, dermaßen zerstört, dass ich über das Ausmaß des Vandalismus nur noch den Kopf schütteln kann. Ich schlendere weiter durch das Gebäude und lande im Keller. Wenigstens hier liegt ein Hauch von kaltem Gruselfilm in der Luft. In dem Kühlraum mit dem Seziertisch ist der Spruch an der Wand “Das letzte, was du siehst” schon etwas beklemmend. Ich verdränge die Vorstellung, wie die Blutreste in den Ausguss gespült werden und schaue mich weiter um. Am Ende des düsteren Gangs empfängt mich der große Kühllagerraum. Die lange Wand mit diesen Kühlfächern, wie man sie aus Filmen kennt, ist im wahrsten Sinne schon cool anzusehen. Leider fehlten bereits die meisten Türklappen. Doch die Lichtverhältnisse waren für die Stimmung natürlich bester Gruselfaktor, wenn auch sehr schwierig zum Fotografieren. “Egal”, denke ich, am Ende zählt für mich primär das Gefühl des Erlebnisses.

Anmerkung: Als ich durch diesen Lost Place stöberte, war er alles andere als verlassen, ich hatte eher das Gefühl wie bei einer Pilgerstätte, da ich auf Menschen aller europäischen Nationen traf. Ich habe gehört, inzwischen sei es schwierig mit einem Hineinkommen, da die Polizei aus Gründen von zunehmendem Vandalismus ihre Runden fährt (und das ist in Anbetracht von grassierendem Vandalismus auch besser so). Außerdem soll das letzte Hightlight des Inventars – der Seziertisch – herausgerissen sein. Wir sprechen hier über reinen Stahl! Der muss ja herausgeflext worden sein oder was weiß ich – also das muss man erstmal schaffen! Unglaublich!

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